Dennis Timm 1 Jan 2004

Ein Workshop zum nonlinearen Erzählen

Das 16, internationale Dokumentarfilm-Festival Amsterdam begrüßte seine Gäste im Dezember wieder am Rande der Altstadt. Verteilt über mehrere Gebäude und Kinos in der Nähe des Leidseplein, liefen parallele Veranstaltungen von zehn Uhr vormittags bis tief in die Nacht. Zentrum war das alte Filmtheater „Stadsschouwburg“.

Abgesehen von interessanten Filmen in den verschiedenen Sektionen, zogen einige Sonder-Veranstaltungen das Interesse auf sich: „Docs for sale“ ist eine gute besuchte Verkaufsmesse, die mittlerweile zum achten Mal stattfand und aus der ausgewählte Dokumentarfilme interessierten Käufern aus der Medienbranche vorgestellt wurden. Dieses Jahr führte der Katalog 450 Titel.

Außerdem war ein „Mediamatic Workshop“ angekündigt. Er ging über nicht-lineare Erzähltechniken mittel eines Korsakow System genannten Computerprogramms, das den Nutzer interaktiv einbezieht und wie ein Online-Medium mit links arbeitet. Jeder Filmemacher kennt die Situation, dass so manche schöne Sequenz nicht in den Film gekommen ist, weil sie nicht in den gewählten Aufbau gepasst hat. So ist ein Grosteil des Materials, das sich zur Vorführung allemal lohnen würde, zu einem unproduktiven Archivdasein verdammt. Vielleicht würde dieser Workshop einen Ausweg aus dem Dilemma weisen, und man könnte beispielsweise „side stories“ hereinnehmen?

Im ersten Stock der Stadsschouwburg saßen 16 junge und junggebliebene Filmemacher aus aller Welt mit eigenem Material zur Bearbeitung. Der Workshop dauert fünf Tage. Jeder Teilnehmer sollte Erfahrungen mit Dokumentarfilmen haben. Besondere Kenntnisse im Umgang mit neuen Medien – hier Macintosh-Laptops – war nicht erforderlich. In der Tat ist das System einfach aufgebaut. Es funktioniert im Wesentlichen über eine grafische Bildschirm-Maske, in die man Inhalte einfüllen kann.
Diese müssen natürlich vorgefertigt sein: als Bild- oder Tondatei. Wenn dann alles sinnvoll verknüpft ist, kann es losgehen. Der Benutzer hat die Wahl und kann verschiedene Buttons drücken. So navigiert er sich durch das Angebot und drückt ihm durch den Verlauf seine eigene Version auf. Die zentrale Frage des Workshops lautet also: Wie können die Eingriffe des Benutzers sinnvoll in den Ablauf und die interaktive Geschichte integriert werden? Die Teilnehmer wurden ermutigt, die Möglichkeiten und Fragestellungen zu erforschen, die entstehen, wenn das Erzählen von Geschichten mit Interaktivität verknüpft wird.

Die präsentierten Ergebnisse fielen noch etwas hakelig aus, aber die Demo-Version der Autoren Florian Thalhofer und Tobias Hülswitt zeigt in der Tat eine äusserst elegante Oberfläche, die für Projektpräsentationen on- und offline ideal erscheint. Als Zuschauer erfasst man in Sekundenschnelle, um was es geht und kann das Thema vertiefen, wann und wo man möchte. Das könnte ein neues Online-Format werden! Leider funktioniert es als DVD-tool nicht. Es kann aber kostenlos von der Website geladen werden.

Deninis Timm, Kameramann, Produktion und Postproduktion in Film, TV und Video, München, Germany, January 2004 p. 46